Die Achse der Verleugnung – Oder warum die alten Fronten uns das Leben kosten werden



Die Diskussion um den Klimawandel scheint eine neue Dimension erreicht zu haben. Jetzt, wo mit dem europäischen Rekordsommer und dem amerikanischen Rekordwinter, seine Folgen endlich auch bei den hauptsächlichen Verursachern spürbarer werden. Die neue Dynamik wird zusätzlich durch eine Verhärtung der Fronten befeuert. Die einen haben längst erkannt, dass die Zeit zu handeln nicht jetzt ist, sondern das Zeitfenster beinahe geschlossen ist, doch wenigstens Schadensbegrenzung noch geleistet werden kann. Die anderen bilden die Achse der Verleugnung. Ihre Methoden reichen dabei von taktisch-raffiniert, über ignorant, bis niederträchtig.

Niederträchtig ist, eine 16-jährige Klimaaktivistin im Internet persönlich anzugreifen, indem man ihr Asperger-Syndrom verhöhnt, mit dem sie offen umgeht.

Ignorant ist, seine Machtposition so schamlos auszunutzen, dass man unzählige Widersprüche einfach penetrant weglügt, Konflikte auf eine persönliche Ebene zieht und sich eine Welt alternativer Fakten schafft. Archetypisch ist hier natürlich die Trump-Regierung.

Die Achse des Weiter so!


Am gefährlichsten ist aber wohl die taktisch-raffinierte Methode, die sich in Gestalt europäischer Konservativer und Rechtspopulisten zeigt. Ein Trump-Ansatz ist hier nicht in dieser Form möglich und bei den gemäßigteren Konservativen auch nicht gewünscht. Selbst wenn der Klimawandel nicht in AfD-Manier geleugnet wird - aus dem eigenen Dilemma gibt es keinen anderen Ausweg, als sich der Achse der Verleugnung anzuschließen. Denn effektive Maßnahmen, die ohne Verbote und starke Veränderung nicht auskommen werden, sind der eigenen, wohlstandschauvinistischen Anhängerschaft nicht zu vermitteln. Also beschreitet man den Weg der Schuldumkehr, des Angriffs auf die Befürworter effektiver Maßnahmen.

Da werden eine Hand voll Lungenärzte unhinterfragt als Stimme der ganzen Profession mit wissenschaftlichem Sachverstand akzeptiert. Da entdeckt die CSU den Klassenkampf für sich und man bemüht das alte Bild einer grün-autoritären Unterdrückung des kleinen Mannes, dessen Lebensrealität auch gegen die drängendsten globalen Probleme verteidigt werden muss. Und wen könnte man da passender zitieren als Franz-Josef-Strauß, allseits bekannt für einen Lebensstil nah am Arbeiter und eine aufrichtige Ferne zum Großkapital? Es soll gezeigt werden: Wir sind vernünftig, wir schaffen das Zauberstück unseren Planeten zu retten, ohne dass irgendjemand seine Gewohnheiten ändern muss.
Sind die weltfremden, neurotischen Ökos erst einmal entlarvt als widersprüchlich, unglaubwürdig, ineffektiv und von absurden Ideologien getrieben, dann…. Ja was dann? Dann kann man eigene, bessere, effektivere Konzepte vorschlagen? Davon ist bisher nicht viel zu sehen. Die Achse der Verleugnung ist in ihrem Kern auch eine Achse des Weiter so! Zu stark ist der Glaube an den Fortschritt durch Wachstum, an technologische Wunderlösungen, an das Lebens- und Entwicklungsmodell des Fordismus.

Her mit den konservativen Lösungsvorschlägen!


Wie stellen sich diese Leute die nächsten Jahre vor, wenn sich nichts Grundsätzliches ändert? Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Versorgungssicherheit, politische Stabilität? Mir graut es jetzt schon vor den Debatten, in denen Klimaflüchtlinge als Asylbetrüger und Wirtschaftsflüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern gebrandmarkt werden und die Schwelle für Gewaltanwendung an den Grenzen unserer Festungen nach und nach sinkt. Und das wird nicht die einzige Krise sein, die uns droht. Ernteausfälle, Wasserknappheit oder schlicht die Unmöglichkeit, sich im freien aufzuhalten, wie es gerade in den USA zu beobachten ist, um nur einiges zu nennen.

Kann ich nach all den polemisch-arroganten Angriffen aus meinem studentischen Elfenbeinturm wenigstens ein Patentrezept liefern? Natürlich nicht, zum jetzigen Zeitpunkt kann das wohl niemand. Aber ich fordere: Her mit den konservativen Lösungsvorschlägen! Statt den Fokus auf die Denkfehler und Widersprüche der Ökos zu richten, die es durchaus geben mag, macht bessere Vorschläge, argumentiert zielorieniert! Es darf nicht damit enden, dass Tempolimits auf Autobahnen gegen jeden Menschenverstand sind, weil sie nichts bringen und Dieselfahrverbote nicht umzusetzen sind, weil man nirgendwo ansetzen könne, denn alles sei zu verschachtelt, die Leute müssen doch zur Arbeit. Unseren Planeten interessiert das nicht. Wir müssen endlich mit dem lächerlichen Tagesgeschäft aufhören, alte Frontstellungen sprengen und akzeptieren, dass hier etwas größeres auf dem Spiel steht, als die nächste Wahl, dass ein Weiter so die Menschheit in sehr ungemütliche Zeiten und vielleicht in die Vernichtung führt.  



Das Knäuel gemeinsam entwirren


Die Anerkennung des Klimawandels und der daraus folgenden Notwendigkeit, fundamentale, strukturelle Veränderungen unserer Lebensweise herbeizuführen, muss überparteilicher Konsens werden. Es wird für alle schmerzhaft, für Führungspersonen ebenso wie für jeden Einzelnen und die Dimensionen sozialer Ungleichheit werden auch in diesen Zusammenhängen ihre ungerechten Wirkungen entfalten. Das muss thematisiert werden. Aber die Diskussion um den Klimawandel darf nicht auf eine paralysierende Art mit jener um soziale Ungleichheit verbunden werden. Denn auch, wenn man relativ benachteiligt ist, beteiligt man sich in den Industrieländern an einem Lebensstil, der nicht nachhaltig ist. Auch wenn andere mehr in der Pflicht sind, kann man sich beteiligen. Es geht darum, gemeinsam Vorschläge zu entwickeln, wie man das Knäuel entwirrt, bei dem man im Moment das Fadenende noch nicht findet. Wenn alle sich zunächst einmal darauf einigen, es überhaupt suchen zu wollen, dürften sich ungeahnte Einflussmöglichkeiten auftun. Um noch eine letzte Metapher zu bemühen: Wir befinden uns jetzt in einer Situation, wo eine Routinekontrolle beim Arzt ansteht, auf die wir eigentlich keine Lust haben. Wir können die Schmerzen des Eingriffs vermeiden, indem wir einfach nicht handeln und uns die Risikofaktoren wegrationalisieren. Und vielleicht haben wir Glück und auf wundersame Weise ist das riesige Geschwür da unten kein Tumor. Aber vielleicht werden wir auch einfach mit noch viel größeren Schmerzen enden und uns wünschen, damals etwas getan zu haben.

Noch könnte unser Zeitfenster für die Abwendung der schlimmsten Folgen des Klimawandels knapp offen sein, noch ist es nicht „damals“.

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