Am Tag der Menschenrechte - Nobelpreis für Peter Handke, Freund serbischer Kriegsverbrecher

Peter Handke in Srebrenica 1996, ein Jahr nach dem Völkermord. Später wird er die Opferzahl herunterspielen. Hinter ihm ist nur noch das Ortsschild in kyrilischer Schrift zu sehen. Die Stadt befindet sich unter serbischer Kontrolle, seit die meisten Nicht-Serben ermordet oder vertrieben wurden.  


Noch einmal zu Peter Handke, dem Mann, der die Grabrede des nationalistischen Diktators, späteren Völkermord-Angeklagten und als „Totengräber von Jugoslawien“ bekannten Slobodan Milošević hielt, in seinen Werken wiederholt serbische Kriegsverbrechen in den Jugoslawienkriegen relativiert, in Zweifel zieht, oder gänzlich leugnet, der serbisch-nationalistische Narrative übernimmt und mit Kriegsverbrechern und Nationalisten (nicht nur serbischen) bestens vernetzt ist, ihnen gar, wie im Falle des in Bayern veurteilten Novislav Đajić, Theaterstücke widmet.
 
Am heutigen Tag der Menschenrechte wir diesem Peter Handke der Literaturnobelpreis verliehen. In diesem Podcast könnt ihr noch einmal eine Diskussion hören, in der Krsto LazarevićDanijel Majić und Alida Bremer mit vielen Hintergrundinformationen begründen, wieso viele diese Preisverleihung äußerst problematisch finden.
 
Mladen Gladić vertritt in dieser Diskussion die Gegenseite, sieht bei Handke keine nationalistische Agenda, sondern höchstens „eine Haltung, die wahrscheinlich an ihre Grenzen stößt“ bzw. „schiefgegangene/sehr problematische Passagen“. Im Fokus stehe jedoch eine Kritik an westlichen Medien, insbesondere angeblich undifferenzierter Darstellungen. Gladić plädiert implizit dafür, Werk und Autor, bzw. seine politischen Positionen und seine Verdienste um die Literatur zu trennen.
 
Alida Bremer sieht darin die Gefahr einer Türöffnung „für jeden Revisionismus in beliebigem Ausmaß“. Krsto Lazarević findet es aufgrund der genuin politischen Natur seiner Texte, die sich in Querfront-Manier der autoritärsten Aspekte eines autoritär-Linken und neurechten Diskurses bedienen, und nur als Literatur getarnt scheinen, von vornherein unmöglich. Dieser Meinung schließt sich der Literaturwissenschaftler Vanihin Preljević in einem Tagesschau-Beitrag an. Lazarević attestiert Handke eine PEGIDA-eske Medienkritik, „eine Verachtung des Westens, eine Verachtung der Aufklärung, eine Verachtung von Wahrheit tatsächlich“, sowie eine völlige Empathielosigkeit gegenüber nichtserbischen Kriegsopfern und ihren Angehörigen. Im Tagesschau-Beitrag wird diesbezüglich ein Kommentar von Handke über die Hinterbliebenen-Organisation Mütter von Srebrenica erwähnt: „Denen glaube ich kein Wort. Denen kaufe ich die Trauer nicht ab. Wäre ich Mutter, ich trauerte alleine.“ Andere sollen sich ihre „Betroffenheit in den Arsch stecken“. Lazarević resümiert, Handke sei „für die serbischen Ultranationalisten ihre Stimme im Ausland“.
 
Die Verleihung hält er so nur für möglich, weil aufgrund fehlenden Wissens über die Jugoslawienkriege im Rest der Welt, die Empörung über Handkes Schriften zu leise ist. Dies halte laut den anderen auch den von Handke mitfabrizierten Mythos am Leben, in Bosnien hätte lediglich ein Bürgerkrieg stattgefunden, in dem alle Seiten eine gleichwertige Verantwortung für die Eskalation tragen und in dem Kriegsverbrechen in vergleichbarem Maße und Organisationsgrad begangen wurden – selbstverständlich geht hier jedoch niemand so weit, zu behaupten, irgendeine Seite sei frei von jeglicher Verantwortung für solche Verbrechen.
 
Danijel Majić zeigt am Beispiel der Massaker von Višegrad und Srebrenica, dass Handke seinem selbst vergebenem Status eines einzigartig, kritisch-objektiven Beobachters bzw. lediglich Fragenstellers, keinesfalls gerecht wird, schlicht Unwahrheiten verbreitet, sowie Vorgeschichten selektiv auswählt und so erzählt, dass sie am Ende in seine Erzählung eines serbischen Freiheitskampfes – er vergleicht Serben allen Ernstes mit amerikanischen Ureinwohnern - passen. Auch Gladić räumt ein, dass Handke sein eigenes Programm durchbricht, wenn er en passant Fakten einbringt, man könne natürlich nicht beliebig leugnen.
 
Alida Bremer ist hörbar wütend und führt dazu aus, welche unglaubliche Menge an Fakten Handkes Suggestionen zu Geschehnissen in den Jugoslawienkriegen entgegenstehen, bestens dokumentiert von Wissenschaftlern (z.B. Forensiker, Molekularbiologen), Juristen (nicht nur aus den Haag), Journalisten aus aller Welt (von denen dutzende bei der Kriegsberichterstattung auch ihr Leben ließen) und parlamentarischen Kommissionen mehrerer Demokratien. Sie ergänzt, die Wiederentdeckung und gefährliche Verklärung serbischer Kriegsverbrecher als Freiheitskämpfer gegen den Islam geschah etwa durch Anders Breivik oder Brenton Tarrant. Danijel Majić erkennt ferner eine pure Verachtung dessen, was Handke als orientalisch empfindet. So spricht er etwa vom „Moslemstaat“ Bosnien, bzw. Muslemanen, statt bosnischen Muslimen. Er verklärt die serbische Geschichte zu einem Kampf eines reinen Volkes gegen Einflüsse von außen, Majic spricht in diesem Zusammenhang von einem Surrogat-Nationalismus bei Handke, der völkisch-nationalistische Narrative übernimmt und damit arbeitet.
 
Ich persönlich habe ja gar kein Unverständnis für das Prinzip Werk und Autor trennen. Aber die Nobel-Stiftung versteht sich als eine Institution, die eine Signalwirkung in die Gesellschaft hat, indem sie jene auszeichnet, „die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“, im besonderen Fall des Literaturnobelpreises jene, die „das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen“ haben. Wenn wir nun die von jeder Faktenbasis abweichende und in seinen Schriften klar formuliert Position, die Peter Handke bereits in den 90ern zu ethnischen Konflikten, Menschenrechtsverletzungen und Diktatoren hatte, auszeichnen, und das in einer Zeit tun, in der Nationalismus überall auf der Welt eine hässliche und gewaltsame Renaissance erlebt - in dessen Epizentrum sich Handke nach wie vor befindet - senden wir dann ein Signal in die Gesellschaft, das in irgendeiner Weise den Werten der Nobel-Stiftung entsprechen kann? Wenn dieser Preis noch dazu am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, einem Mann verliehen wird, der bestens mit jenen verbandelt ist und war, die Menschenrechte mit Füßen traten und treten, dann kann hier wirklich nur noch von Zynismus gesprochen werden.

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