Moria wiederholt sich in Bosnien

 

Es schmerzt mich zu sehen, dass sich im Flüchtlingscamp Lipa in Bosnien-Herzegowina, dem Land in dem meine Wurzeln liegen, Moria wiederholt. Dass wir verstärkt Bilder von völlig verzweifelten, humanitären Notlagen an den EU-Außengrenzen sehen, ist eine logische Folge der Politik, die Friedrich Merz nun noch einmal bestätigt: Humanitäre Hilfen und die Einhaltung von Menschenrechten sind zu vermeidende Migrationsanreize und erste Priorität ist Menschen daran zu hindern, nach Deutschland zu kommen. 
 
Solch eine unsolidarische „not in my backyard“-Politik haben die europäischen Länder (in unterschiedlicher Intensität) in den letzten Jahren Stück für Stück etabliert. Durch die Totalverweigerung der rechten bis rechtsextremen Regierungen einiger europäischer Staaten (und den Konsens der Übrigen diese Blockade hinzunehmen), bleibt eine gesamteuropäische Lösung ein fernes Versprechen, das den Menschen nicht durch den kalten Winter helfen wird. Ebenso muss das von Merz erneut geäußerte Versprechen der „Hilfe vor Ort“ als falsches verdächtigt werden, die schrecklichen Bilder der letzten Jahre konnte diese immer wieder angebotene Alternativstrategie jedenfalls nicht verhindern. Auch das Mantra der Fluchtursachenbekämpfung änderte nichts an gestrandeten Menschen und Sterben im Mittelmeer. Auch wenn die Lösung globaler Konflikte, die Verringerung der Armut usw. langfristige Ziel bleiben, auf die die meisten sich einigen können, können solche Absichtserklärungen keine Hilfe in Notlagen ersetzen, insbesondere dann nicht, wenn die Ursachen komplex sind und keine schnellen Verbesserungen zu erwarten.
 
Wir beobachten also eine Kettenreaktion der Ignoranz, die so weit geht, lange bekannte Menschenrechtsverletzungen durch das EU-Mitglied Kroatien in Form von illegalen Pushbacks, Misshandlungen und den Raub persönlicher Gegenstände durch BeamtInnen an der bosnisch-kroatischen Grenze völlig unsanktioniert zu lassen. Vor allem sorgt diese Kettenreaktion dafür, dass das Leid in zunehmend dysfunktionale Staaten auslagert wird. Ohne zu tief ins Detail zu gehen, sollte hier erwähnt werden, dass Bosnien-Herzegowina als eines der kompliziertesten Staatssysteme weltweit bezeichnet wird, in dem seit Kriegsende 1995 ökonomisch und sozial wenig vorangeht. Entsprechend ist das Land administrativ und finanziell deutlich schlechter als andere europäische Länder in der Lage, Migrationsbewegungen menschenwürdig und rechtskonform zu organisieren. Dies ist selbstverständlich kein Freispruch für die gefährliche Vernachlässigung der Flüchtlinge vor Ort, auch in Bosnien sind Vorurteile in der Bevölkerung und Merz-Äquivalente mitverantwortlich.
 
Ich akzeptiere selbstverständlich unterschiedliche Meinung zur Migration und zur Frage, welche Verantwortung für die Bewältigung der globalen Flüchtlingsproblematik die europäischen Länder tragen sollten. Das Leid von Menschen wie in Moria und Lipa schulterzuckend als alternativlos hinzunehmen, halte ich jedoch für inakzeptabel, vor allem in einer politischen Gemeinschaft, die vorgibt, auf Menschenrechten begründet zu sein.

 

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